Blaue Trails sind die Cash Cows der MTB-Szene, Konsequenzen fehlender Infrastruktur und erleuchtende Worte im Paragrafen-Dschungel. Der MTB Kongress 2024 watete auch in diesem Jahr mit Superlativen auf und lud vom 1. bis zum 3. Oktober zum Gipfeltreffen der MTB-Welt Österreichs nach Saalbach ein.
MTB Kongress, was das?
Der jährlich stattfindende MTB Kongress lädt Vertreter:innen aus Wirtschaft, Tourismus, Politik und der Bike-Community ein, um über Probleme, Fortschritte und Möglichkeiten im MTB-Sport zu referieren und dem Publikum Frage und Antwort stehen. Dank Gründer und Strategie-Virtuoso Harald Maier durften wir uns auch in diesem Jahr über eine erlesene Auswahl von Vortragenden freuen.
Neu denken, Prozesse durchbrechen, Standards setzen
Der MTB Kongress erfindet sich ständig neu, gibt Themen vor und lädt zum Grübeln ein. Disruption lautete das diesjährige Thema, wobei Innovationen im Mittelpunkt standen, die notwendig sind, um laufende Prozesse zu durchbrechen. Alles mit dem Ziel, neue (bessere) Standards zu etablieren. Was zu Beginn recht theoretisch klingt, wurde allerdings schnell praxisnah: In Österreich haben Bike-Communities einen schweren Stand, da sie vom Wohlwollen vieler Parteien (Jagd, Politik, Eigentümer:innen, etc.) abhängig sind. Auf der Suche nach jedem Trail-Zentimeter und beim erwartbaren bürokratischen Spießrutenlauf ist Kreativität gefragt, wodurch lokale Initiativen zu kreativen Lösungen greifen, um ihrem Wunsch nach mehr legaler Infrastruktur mehr Nachdruck zu verleihen.
Sebastian Hochgatterer hat im Zuge seiner vielen Stunden für MTB Linz beispielsweise „Trailpulse” entwickelt. Ein Zähler, der an strategischen Punkten anonymisierte Bewegungsdaten sammelt. Fragen wie: Wie viele Fahrten gab es in Zeitraum X, gibt es Night Rides oder funktioniert die Lenkung der Community bei Wartungs- oder Forstarbeiten können beantwortet werden und machen die unzähligen, ehrenamtlichen Stunden auf und neben den Trails sichtbar, wodurch sie eine Argumentationsgrundlage für zukünftige Gespräche bieten.
Und obwohl der Umgang mit den Daten noch in den Kinderschuhen steckt, wird bereits fleißig experimentiert. Zum Beispiel werden KIs mit Bewegungsdaten gefüttert und um weitere Faktoren ergänzt, sodass am Ende der perfekte Trail ausgespuckt wird. Es bleibt also spannend, wie sich nicht nur das Traildesign dank dieser Daten inklusiver, nachhaltiger und attraktiver gestalten lässt, sondern auch, ob sich die Akzeptanz der Bike-Community auf kommunaler Ebene dadurch ändern wird.
Mehr Trails dank MTB Strategie?
Thema des diesjährigen MTB Kongress war natürlich auch die von der Politik angekündigte MTB Strategie, bei der auch Harald mit AMBI (Austrian Mountainbike Institute) mitwirkt. Er selbst sieht die Besetzung der Landeskoordinator:innen, die als zentrale Anlaufstellen dienen sollen, als positiv. In diesem Zusammenhang weißt er aber noch einmal darauf hin, dass sie keine Community-Vertretungen sein werden. Eine Art Counterpart zu den Landeskoordinator:innen wird eine, sich gerade in der Gründung befindende, Community Vertretung sein. Sie soll zukünftig für die Belange der Bike-Community auf Bundesebene einstehen und beim Vermitteln helfen.
Für diesen Zweck hält Harald es für nötig, dass es eine Stelle für Raumplanung im Bereich Freizeitwirtschaft gibt, die punktuell hilft, um die Interessen aller Beteiligten zu vermitteln.
Trail-Inklusion: Brücken einreißen, bauen, befahren
Welche Konsequenzen die fehlende Bike-Infrastruktur nach sich zieht, zeigt Lisa Mitterbauer. Man dürfe sich nicht wundern, wenn Medaillen und Podiumsplätze ausblieben, wenn den Kindern die entsprechende Infrastruktur fehle, erklärt sie. Wenn keine Leidenschaft für den Sport im Kindesalter geweckt wird, braucht sich schließlich auch niemand über fehlende Goldmedaillen wundern, denn auch welchen Pool voller sportbegeisterter Kinder sollen die Nachwuchstalente von morgen denn kommen?
Bekräftigt wird Lisa von Monika Fieder-Proksch, die selbst seit Jahren Camps im Bikesport organisiert und darauf verweist, dass man die (Einstiegs)Hürden für den Sport niedriger ansetzen und emotionale Einstiege schaffen müsse. „Ein gutes Erlebnis mit dem Sport ist schließlich der größte Faktor für einen Kauf”, erklärt sie.
Man müsse das Thema MTB niedrigschwelliger denken und die Aufbauarbeit bereits an Schulen und Kindergärten erfolgen, hieß es. Gerhard Angerer aus der Bildungsdirektion für Niederösterreich unterstreicht dieses Vorhaben nur noch mit dem Wunsch, dass jedes Kind in Österreich zumindest Fahrradfahren können sollte.
Stein, Schere, Emotionen
Der letzte Tag des MTB Kongress 2024 trug die Überschrift „Recht & Community" und verzeichnete den größten Zuspruch, was den Wunsch nach Aufklärung im Paragrafendschungel nur deutlicher werden ließ. Einer emotionalen Angst könne man mit rationalen Argumenten nicht beikommen, erklärt Pius Schneider. Er war einer der Anwälte, die der Community Rede und Antwort standen, als die Podiumsdiskussion in der Frage gipfelte, wie sich Vereine verhalten sollten, wenn es in Gesprächen mit Eigentümer:innen keinen Fortschritt gibt. Hinter dieser Frage verbirgt sich auch das Problem der bestehenden MTB Strategie, die ihre Kraft aus Vertragsmodellen mit allen Beteiligten schöpft. Gerade in Ballungsräumen wie in Salzburg und Innsbruck stößt das Modell an seine Grenzen. Wenn Eigentümer:innen ganzheitlich kein Interesse an einer Kompensation haben und eine emotionale Angst über den „Verlust des Eigentums” im Raum steht, bewegt sich nichts weiter und an eine gezielte Lenkung ist nicht zu denken.
Man müsse besser kommunizieren, sind sich die Anwälte sicher und am machen das an der Medienarbeit eines kürzlich gefällten Urteils („OGH-Urteil schockt Bike-Tourismus: Schadensersatz nach Sturz von Brücke”). Ohne Hintergrundinformationen und juristische Erfahrung kann man es wohl keinem Eigentümer oder keiner Eigentümerin verdenken, wenn er oder sie davon absieht, einen Trail durch seinen/ihren Wald laufen zu lassen, wenn das Ergebnis solche Schlagzeilen und juristischer Aufwand nach sich zieht – auch trägt es nicht zur Aufklärung bei.
Dass es bereits Gesetzesanpassungen, wie nach dem Kuh-Urteil gab und auch dass der Sachverhalt umfangreicher war, als dieser Artikel suggeriert, wird nicht erwähnt. Prinzipiell habe sich nichts geändert und die von den Ländern bereitgestellten Versicherungslösungen würden sehr wohl funktionieren, entgegnen die anwesenden Anwälte. Harald Maier ergänzt diese Aussage noch um das Beispiel, dass es in den letzten 30 Jahren in Salzburg drei Fälle gegeben habe, die es bis vor Gericht geschafft hätten: Zwei davon wurden gar nicht erst verhandelt und bei einem einigte man sich auf einen Vergleich.
Für uns in Salzburg ändert sich erst einmal nichts, wäre ja auch zu schön gewesen. Doch auch wir sind nicht ganz untätig und helfen bei der Gründung einer bundesweiten Community-Vertretung, wie es durch IMBA-Schweiz oder DIMB bereits der Fall ist und hoffen darauf, unseren Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen.
Wie sieht es eigentlich am Dürrnberg aus? Wollte man nicht im Sommer mit den Arbeiten an den geplanten Bikestrecken anfangen? Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?
Gruß Günni